Bedeutung des Nobelpreises für Physik 2025 Christoph Bruder und Andrea Hofmann im Interview über Quantenmechanik in makros- kopischen Systemen Bei der Nobelpreisverleihung am 10. Dezember haben die Professoren Dr. John Clarke, Dr. Michel H. Devoret und Dr. John M. Martinis für die Entdeckung des makroskopischen quantenmechanischen Tunnelns und der Energiequantisierung in einem elektrischen Stromkreis den Nobelpreis in Physik 2025 verliehen bekommen. Ihre Experimente zeigen, dass Quanteneffekte nicht nur in der Nano- und Mikrowelt eine Rolle spielen, sondern auch in grösseren, makroskopischen Systemen relevant sind. Christoph Bruder und Andrea Hofmann vom Departe- ment Physik sprechen im Interview über diese bahnbrechende Forschung. SNI INSight: Wofür genau haben die drei Forschenden den Nobelpreis für Physik bekommen? Christoph Bruder: Clarke, Devoret und Martinis haben bereits in den 1980er Jah- ren experimentell belegt, dass ein Schalt- kreis aus supraleitenden Komponenten quantenmechanische Effekte zeigt – ob- wohl es sich um ein grosses System han- delt und eine Vielzahl von Teilchen be- teiligt sind. Zu der Zeit, als sie diese Experimente durchgeführt haben, war das Phänomen des quantenmechanischen Tunnelns be- reits seit einiger Zeit bekannt. Man hatte beobachtet, dass einzelne Quantenteil- chen durch eine isolierende Barriere hin- durchtreten können – ganz anders als uns das aus der Makrowelt vertraut ist. Denn ein Ball, den wir gegen eine Wand werfen, prallt zurück und taucht nicht auf der anderen Seite wieder auf. Aber es war unklar, ob dieses Phänomen prinzi- piell auch in der makroskopischen Welt auftreten kann und wo die Grenze ist, bei der Quanteneffekte eine Rolle spielen. Die jetzt prämierten Wissenschaftler haben mit ihren Experimenten erstmals gezeigt, dass wir diesen Tunnel-Effekt auch in einem makroskopischen System beobachten können. SNI INSight: Wie haben sie das ge- macht? Christoph Bruder: Die drei Preisträger haben einen Schaltkreis aus zwei Supra- leitern verwendet, die durch eine dünne isolierende Barriere getrennt wurden, und somit sogenannte Josephson-Kon- takte hergestellt. Durch die isolierende Barriere erfolgte dann das Tunneln der Teilchen. Dies war allerdings nur mög- lich, da sie das System sehr stark abkühl- ten und vor allem effektiv isolierten, so- dass Störungen von aussen die Effekte nicht maskieren konnten – was eine tech- nische Herausforderung war. In ihren Experimenten konnten sie nachweisen, dass sich alle geladenen Teil- chen im Supraleiter einheitlich verhiel- ten. Vereinfacht gesagt, gibt es in dem System zwei Zustände: bei einem fliesst Strom ohne Spannung, bei dem anderen Zustand tritt eine Spannung auf, wenn Strom fliesst. In den Experimenten zeig- ten die drei Forscher, dass alle Teilchen trotz der Barriere gemeinsam zwischen diesen beiden Zuständen tunnelten. Zudem haben sie nachgewiesen, dass das System quantisiert ist, was bedeutet, dass es nur bestimmte Mengen an Energie aufnehmen und abgeben kann. SNI INSight: Was ist so besonders daran? Christoph Bruder: In grösseren, makro- skopischen Systemen verschwinden 7 SNI INSight Dezember 2025

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